Immer wieder aktuell: die Finanzkrise – verständlich erklärt

Die Finanzkrise, verständlich erklärt

Mandy besitzt eine Bar in Kreuzberg. Um den Umsatz zu steigern, be­schließt sie, die Getränke der Stammkundschaft – hauptsächlich alkoholkranke Hartz-IV-Empfänger – auf den Deckel zu nehmen, ihnen also Kredit zu gewähren.

Das spricht sich in Kreuzberg schnell herum, und immer mehr Kundschaft des­selben Segments drängt sich in Mandys Bar.

Da die Kunden sich um die Bezahlung keine Sorgen machen müssen, erhöht Mandy sukzessive die Preise für den Alkohol und erhöht damit massiv ihren Umsatz.

Der junge und dynamische Kundenberater der lokalen Bank bemerkt Mandys Erfolg und bietet ihr zur Liquiditätssicherung eine unbegrenzte Kreditlinie an. Um die Deck­ung macht er sich keinerlei Sorgen, er hat ja die Schulden der Trinker als Deckung.

Zur Refinanzierung transformieren top-ausgebildete Investmentbanker die Bierdeckel in verbriefte Schuldverschreibungen mit den Bezeichnungen SUFFBOND®, ALK­BOND® und KOTZBOND®.

Diese Papiere laufen unter der modernen Bezeichnung SPA Super Prima Anleihen und werden bei einer usbekischen Online-Versicherung per Email abgesichert.

Daraufhin werden sie von mehreren Rating-Agenturen (gegen lebenslanges Freibier in Mandys Bar) mit ausgezeichneten Bewertungen versehen. Niemand versteht zwar, was die Abkürzungen dieser Produkte bedeutet oder was genau diese Papiere be­in­hal­ten, aber dank steigender Kurse und hoher Renditen werde diese Konstrukte ein Renner für institutionelle Investoren.

Vorstände und Investmentspezialisten der Bank erhalten Boni im dreistelligen Milli­o­nenbereich.

Eines Tages, obwohl die Kurse immer noch steigen, stellt ein Risk-Manager (der in­zwischen wegen seiner negativen Grundeinstellung selbstverständlich entlassen wur­de) fest, dass es an der Zeit sei, die ältesten Deckel von Mandy’s Kunden langsam mal fällig zu stellen.

Überraschender Weise können weder die ersten noch die nächsten Hartz-IV-Em­pfän­ger ihre Schulden, von denen viele inzwischen ein Vielfaches des Jahres­ein­kom­mens der Schuldner betragen, bezahlen. Solange man auch nachforscht, es kom­men so gut wie keine Tilgungen ins Haus.

Mandy macht Konkurs. SUFFBOND® und ALKBOND® verlieren 95%, KOTZBOND® hält sich besser und stabilisiert sich bei einem Kurswert von 20%. Die Lieferanten hatten Mandy extrem lange Zahlungsfristen gewährt und zudem selbst in die Super Prima Anleihen investiert. Der Wein- und der Schnapslieferant geht in den Konkurs, der Bierlieferant wird dank massiver staatlicher Zuschüsse von einer ausländischen In­ves­torengruppe übernommen.

Die Bank wird durch Steuergelder gerettet. Der Bankvorstand verzichtet für das ab­ge­laufene Geschäftsjahr auf den Bonus.

Disclaimer:

Es handelt sich hier um ein völlig aus der Luft gegriffenes Beispiel zu Anschauungs­zwecken. Ähnlichkeiten mit even­tuell wahren Gegebenheiten sind rein zufällig und keineswegs beabsichtigt. Aber so oder so ähnlich muss es wohl gewesen sein … oder – um einen irischen Freund zu zitieren – „if it isn’t true, it should be!“

Verfasser: unbekannt; bearbeitet und ergänzt von Martin Mock

 

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