„Jesus hat Sie lieb!“ – ein Kündigungsgrund?

ArbG Bochum, Urt. V. 08.07.2010 – 4 Ca 734/10
LAG Hamm, Urt. v. 20.04.2011 – 4 Sa 2230/10

Ein in einem Callcenter als Verkäufer („Telefonagent“) beschäftigter Arbeitnehmer verab- schiedete sich am Ende eines jeden Verkaufsgespräches (dabei drehte es sich um TV-Ge- räte) sehr freundlich – und sehr „originell“ – von den Kunden mit den Worten „Jesus hat Sie lieb, vielen Dank für Ihren Einkauf bei QVC und einen schönen Tag.“ Der Arbeitgeber hatte ihm die Verwendung dieser „Gruß­formel“ ausdrücklich untersagt. Weil der Ange- stellte sich daran nicht hielt, hat der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis gekündigt.

Die gegen die Kündigung eingereichte Kündigungsschutzklage war in erster Instanz beim Arbeitsgericht Bochum erfolgreich, die Kündigung wurde für unwirksam erklärt. Das Landesarbeitsgericht wies die Klage jedoch in der zweiten Instanz ab.

Der Kläger hat sich auf seine religiöse Überzeugungen berufen, aus denen heraus er nicht auf diese Art der Grußformel verzichten zu können glaubte; der Verweis auf die Liebe Jesu zu den Menschen sei für ihn aus Glaubensgründen zwingend notwendig. Er fühle sich verpflichtet, auch im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit  seinen Glauben weiterzugeben. Dabei bezog er sich auf eine Stelle im Markus-Evangelium, durch die er aufgefordert werde, das Wort Gottes zu verkünden (Markus-Evangelium 16,15: Und er sprach zu ihnen: Gehet hin in alle Welt und prediget das Evangelium aller Kreatur.). Zudem habe sich kein Kunde beschwert. Der Arbeitgeber argumentierte hingegen dahin, dass er – bleibe es bei dem Recht des Angestellten, entgegen ausdrücklicher Weisung seine „Jesus-Formel“ anzubringen – damit zu rechnen sei, dass Arbeitnehmer anderer Glaubensrich- tungen ähnlich handelten und dann zu befürchten sei, dass die Kunden mit bis zu zwanzig verschiedenen religiös begründeten Grußarten konfrontiert werden könnten.

Das Arbeitsgericht Bochum war der Argumentation des Telefonagenten noch gefolgt; die Glaubens- und Bekenntnisfreiheit gem. Art. 4 GG stehe über der unternehmerischen Freiheit des Arbeitgebers. Also hatte das LAG Hamm in der zweiten Instanz die Glaubens- freiheit des Arbeitnehmers einerseits und die unternehmerische Betätigungsfreiheit des Arbeitgebers andererseits gegeneinander abzu­wägen.

Die Berufungskammer ist dabei der ersten Instanz insoweit gefolgt, als dass grundsätzlich die Religionsfreiheit des Einzelnen höherrangig ist als die Handlungsfreiheit des Unterneh- mers. Das Berufungsgericht konnte sich aber nicht davon überzeugen, dass für den Kläger eine solche Gewissensnot wirklich gegeben war. Soll die Religionsfreiheit überwiegen, muss ein Arbeitnehmer, der geltend macht, eine Arbeitsanweisung beeinträchtige ihn unzumut- bar in seiner religiösen Betätigung, nachvollziehbar darlegen, dass er ohne innere Not nicht auf ein aus seiner Sicht zwingendes Verhalten verzichten könne. Derartiges  konnte das Berufungsgericht hingegen im Falle des Klägers tatsächlich nicht feststellen.

Denn der Kläger verwendete die Grußformel erst seit Januar 2010, war aber schon seit 2004 in der Firma beschäftigt. Zudem hatte er anlässlich eines anderen Prozesses  dem Arbeitgeber angeboten, im Rahmen einer sogenannten Prozessbeschäftigung (s. Anmer- kung unten) für die Beklagte tätig zu werden – und sich zugleich für diese Beschäftigung verpflichtet, auf die streitige Ergänzung der Grußformel zu verzichten. Außerdem hatte der Kläger mit dem Arbeitsgericht wegen der ihm entstehenden Fahrtkosten zum Termin telefoniert und sich bei diesem Gespräch höflich, aber ohne religiöse Zusatzformeln verabschiedet.

Quellen: Pressemitteilungen des ArbG Bochum vom 11.04.2011 und des LAG Hamm vom 20.04.2011  sowie Zeitungsberichte der WAZ vom 14.04.2011 (http://www.derwesten.de/staedte/duesseldorf/Jesus-Gruss-bei-QVC-unerwuenscht-id4544021.html?quelle=staedte::bochum::gericht::rut) sowie vom 20.04.2011 (http://www.derwesten.de/staedte/bochum/gericht/Fristlose-Kuendigung-wegen-Jesus-hat-Sie-lieb-Gruss-ist-rechtens-id4564379.html)

Anmerkung:Eine „Prozessbeschäftigung“ ist ein Arbeitsverhältnis, das zwischen Arbeit-nehmer und Arbeitgeber während eines Kündigungsschutzverfahrens abgeschlossen werden kann; es ist auf die Dauer des Laufes der Kündigungsschutzklage befristet. Wenn der Ausgang des Kündigungsschutzverfahrens ungewiss ist, bietet eine solche Vereinba-rung für beide Seiten Vorteile. Der Arbeitnehmer arbeitet weiterhin und verdient Geld, obwohl er gekündigt wurde; für den Arbeitnehmer besteht – falls er den Prozess verliert – nicht das Risiko, den Arbeitnehmer nachträglich für tatsächlich nicht geleitete Arbeit bezahlen zu müssen (sog. Verzugslohnrisiko). Wenn überhaupt wird der Arbeitgeber allerdings eine solche Prozess- beschäftigung nur für einen anderen als den gekündigten Arbeitsplatz anbieten (denn ansonsten läuft er Gefahr, seine eigene Kündigung zu konter-karieren); weil aber eine andere als die nach dem gekündigten Arbeitsvertrag vom Arbeit-nehmer geschuldete Tätigkeit nicht ohne weiteres zumutbar ist, muss der Arbeitgeber für das nicht dem ursprünglichen Vertrag entsprechende Arbeitsplatzangebot vernünftige und nachvollziehbare Gründe haben (s. z. B. den Fall des Urteils des Bundesarbeitsge-richts vom 07.02.2007 – 5 AZR 422/06).