Eheleute gehören zum „Machtbereich“ des Partners – ?!

Nach Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes (BArbG) vom 09.06.2011 (NJW 2011 S. 2604-2606) sind zusammen lebende Ehepartner „nach der Verkehrs­an­schau­ung“ für­ein­an­der als „Empfangsboten“ anzusehen – die Übergabe eines für die Ehe­frau bestimmten Brie­fes an den Ehemann habe Zustellungswirkung für und ge­gen die Ehefrau – unabhängig da­von, was der Ehemann mit dem Brief tatsächlich macht.

Sachverhalt

Dem Ehemann der Klägerin wurde vom Arbeitgeber der Ehefrau am 31.01.2008 ein Kün­di­gungsbrief übergeben, und zwar am Arbeitsplatz des Ehemannes. Dieser lies den Brief an seinem Arbeitsplatz liegen und gab ihn am nächsten Tag seiner Ehe­frau. Das Gericht hatte zu entscheiden, ob der Zugang der Kündigungserklärung erst zum 01.02.08 anzunehmen war – dann wäre das Arbeitsverhältnis erst zum 31.03.08 gekündigt gewesen –, oder aber eben am 31.0108 mit der Folge der Auf­lö­sung des Ar­beits­vertrages bereits zum 29.02.08.

Die Ehefrau hat geltend gemacht, dass ihr Mann bei Übergabe des verschlossenen Briefes an seinem – des Ehemannes – Arbeitsplatz in einem Bau- und Heimwerkermarkt ge­äu­ßert habe, nicht er, son­dern seine Frau habe ein Arbeits­ver­hält­nis mit dem Ab­sen­der; Formalitäten mögen man „intern re­geln“. Sie – die Ehefrau – habe ihren Mann nicht bevollmächtigt, für sie be­stimmte Zustellungen ent­ge­gen­zu­nehmen. Der Ehemann sei für sie kei­ne „Em­pfangs­­vor­richtung“ (so bezeichnen die Juristen den üb­lichen Brief­kasten).

Der beklagte Arbeitgeber hat dagegen behauptet, der Ehemann habe zugesagt, den Brief noch am glei­chen Tag seiner Frau zu geben.

Das Arbeitsgericht hat der Klage zunächst stattgegeben und die Fortdauer des Ar­beits­­ver­hältnisses bis zum 31.03.08 festgestellt. Das Landesarbeitsgericht (LArbG) Köln (Ur­teil vom 07.09.2009; 2 Sa 210/09) hat diese Entscheidung aufgehoben und die Be­­en­di­gung des Arbeitsverhältnisses schon zum 29.02.08 festgestellt. Das BArbG ist dem dann gefolgt.

Nach der herrschenden (überwiegenden) Rechtsprechung der Obergerichte und der wissen­schaftlichen Erörterungen in der Literatur sei „in aller Regel ohne weiteres da­von auszugehen“, dass mit der Aushändigung einer schriftlichen Willenserklärung an ei­nen von zwei zusammen lebenden Ehegatten diese Erklärung auch dem anderen zu­ge­gan­gen sei. Dies sei nicht nur bei Ehegatten anerkannt, sondern z. B. auch bei in der Wohnung des Empfängers lebenden sonstigen erwachsenen Haushaltsmitg­lie­dern, insbesondere Le­bens­part­nern in nichtehelicher Lebensgemeinschaft.

Das gelte auch für eine Übergabe außerhalb der Wohnung, denn es bestehe eine „auf der Lebenserfahrung beruhende Verkehrsanschauung“ dahin, dass „in aller Re­gel“ ein Ehe­gatte eine für den anderen bestimmte Erklärung (auch mündliche Er­klä­run­gen seien da­von umfasst!) diesem „alsbald übermittelt“. Der Ehepartner sei ein „per­sonifizierter“ Brief­kasten. Wenn „unter den obwaltenden Umständen“ damit ge­rech­net werden könne, dass die Zustellung noch am gleichen Tag den eigent­lichen Em­pfän­ger erreicht, dann sei mit der Zustellung an den „personifizierten  Brief­kasten“ der Zu­gang der Erklärung noch an die­sem Tage bewirkt.

Der Ehemann habe sich nach den Feststellungen des LArbG nicht ausdrücklich ge­wei­­gert, den Brief an seine Ehefrau weiterzugeben. Die insoweit vor­genommene Rechts­anwendung des Berufungsgerichts sei nicht zu beanstanden. Es sei auf die recht­liche Auslegung des tatsächlichen Verhaltens des Ehemannes abzustellen – und diese Aus­legung ergebe eben rechtsfehlerfrei keine ausdrückliche Ablehnung des Ehe­mannes dahin, dass er den für seine Ehefrau bestimmten Brief nicht an­neh­men wolle oder werde. Das LArbG habe die Erklärung des Ehemannes dahin, dass nicht er, son­­dern seine Frau ein Arbeits­ver­hält­nis mit dem Absender habe und dass man die Formalitäten „intern re­geln“ möge, rechts­feh­ler­frei nicht als ausdrückliche Ab­leh­nung des Zugangs des Briefes gewertet.

Fazit:

Wenn man denn nach allgemeiner Erwartung und bei Anwendung des „vernünftigen Men­schenverstandes“ damit rechnen muss, kann das Verhalten des einen für den an­­deren Ehegatten erhebliche Folgen haben. Ehegatten haben für­ein­ander Ver­ant­wor­tung, und zwar auch dann, wenn es um den Empfang von Zustellungen für den je­weils anderen geht.

Quellen: NJW (Neue Juristische Wochenschrift) 2011, 2604-2608; WAZ vom 10.06 2011

 

Schreibe einen Kommentar