Urteil des AG München vom 29.03.11 – 343 C 20721/10
Der Sachverhalt:
Im Juni 2010 musste der Fahrer eines PKW in München abbremsen. Das hinter ihm fahrende Auto fuhr deshalb auf seinen PKW auf.
Der Geschädigte wandte sich an seine Werkstatt. Diese nannte ihm zwei Sachverständige, der Geschädigte wählte einen davon. Dieser ermittelte die Reparaturkosten und die Wertminderung für das Auto und verlangte dafür ein Honorar von 653,94 €.
Die Versicherung des Unfallverursachers war bereit, die Wertminderung und die Reparaturkosten mit 2150 € zu bezahlen. Mit der Rechnung des Sachverständigen war sie aber nicht einverstanden; diese sei zu hoch; man erstattete nur 189,50 €.
Der Geschädigte erhob daraufhin Klage vor dem Amtsgericht München.
Die Entscheidung:
Die Richterin gab ihm Recht und sprach die restlichen 464,44 € zu.
Denn ein Geschädigter könne im Zusammenhang mit der Schadensregulierung die Kosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich vernünftig denkender Mensch in seiner Lage für zweckmäßig und notwendig halten dürfe. Dies bedeute, dass er nicht nur das verlangen könne, was objektiv erforderlich sei, sondern auch das, was er in seiner konkreten Situation für erforderlich halten durfte.
Es komme deshalb nicht darauf an, ob das vom Sachverständigen in Rechnung gestellte Honorar objektiv ortsüblich und angemessen sei, sondern nur darauf, ob dem Kläger der Vorwurf gemacht werden könne, er habe bei der Auswahl des Sachverständigen seine Schadensminderungspflicht verletzt. Dies hat das Gericht verneint.
Der Kläger habe sich an seine Reparaturwerkstatt gewandt, die ihm zwei Sachverständige empfohlen habe. Für einen der beiden habe er sich entschieden. Damit habe sich der Kläger so verhalten, wie es wohl die meisten Unfallgeschädigten täten, die mit Fragen der Schadensminderungsplicht nicht so vertraut seien.
Außerdem gebe es kein „übliches“ Sachverständigenhonorar. Ein Großteil der Sachverständigen würde dieses nach der Schadenshöhe bestimmen, ein Teil mache ein Zeithonorar geltend. Da es sich bei einem Sachverständigenhonorar um einen Werkvertrag handele, müsse ein bestimmtes Honorar auch nicht im vornherein vereinbart werden. Vereinbart sei im Zweifel immer die übliche Vergütung. Lediglich für den Fall, dass der in Rechnung gestellte Betrag für jeden Laien klar ersichtlich völlig außer Verhältnis zum Schaden stehe, habe der Geschädigte die Verpflichtung, die Rechnung zu beanstanden.
Fazit:
Für die Frage, ob ein Unfallgeschädigter einen Anspruch auf Erstattung der gesamten Sachverständigenkosten hat, kommt es nicht darauf an, ob das vom Sachverständigen in Rechnung gestellte Honorar objektiv ortsüblich und angemessen ist, sondern ob dem Geschädigten der Vorwurf gemacht werden kann, er hätte sich einen billigeren Sachverständigen suchen müssen.
Das Urteil ist rechtskräftig.
Quelle: AG München – Pressemitteilung vom 31.10.2011